Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
Urteilskopf

96 V 134


38. Auszug aus dem Urteil vom 8. September 1970 i.S. Bundesamt für Sozialversicherung gegen Büsser und Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen

Regeste

Art. 29 Abs. 1 IVG: Beginn des Rentenanspruchs.
Bei der Beurteilung der Frage, ob und wieweit der amputierte Versicherte bleibend erwerbsunfähig sei, muss auch das voraussichtliche Ergebnis weiterer Angewöhnung an die Prothese mit berücksichtigt werden.

Erwägungen ab Seite 134

BGE 96 V 134 S. 134
Aus den Erwägungen:
Im vorliegenden Fall ist umstritten, ob der Versicherte ab 1. Januar 1969 im Sinne der Variante 1 von Art. 29 Abs. 1 IVG bleibend invalid ist. Vom medizinischen Standpunkt aus gesehen, war der Gesundheitszustand des Versicherten nach der Amputation und nach Abschluss der postoperativen Behandlung stabil und irreversibel. Das Bundesamt für Sozialversicherung macht indessen unter Hinweis auf EVGE 1964 S. 173 geltend, dass im Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung der Ausgleichskasse (12. Mai 1969) noch nicht zuverlässig habe beurteilt werden können, ob dieser Zustand eine bleibende Erwerbsunfähigkeit von mindestens 50% zur Folge haben würde. Er müsse auch hinsichtlich des rentenbegründenden Einflusses auf die Erwerbsfähigkeit Dauercharakter haben. Bei Amputationen könne nicht ohne weiteres eine Dauerinvalidität
BGE 96 V 134 S. 135
angenommen werden, weil durch Angewöhnen an die Prothese oftmals eine Geschicklichkeit und Fertigkeit erworben werde, die es dem Invaliden erlaube, sogar im angestammten Beruf eine teilweise, wenn nicht gar volle Arbeits- bzw. Erwerbsfähigkeit wieder zu erlangen.
Dieser Argumentation ist beizupflichten. Allerdings wird im vom Bundesamt für Sozialversicherung zitierten Entscheid ausgeführt: "...eine mögliche Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse im Laufe der Zeit (z.B. wegen vermehrter Angewöhnung oder wegen eines geeigneteren Tätigkeitsgebietes) schliesst insbesondere bei jüngeren Versicherten die Annahme bleibender Erwerbsunfähigkeit nicht aus". Nach diesem Urteil wäre also vermehrte Angewöhnung im Laufe der Zeit als blosse Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse zu betrachten. Es zeigt sich im vorliegenden Fall jedoch, dass dieses Urteil wenigstens hinsichtlich der Angewöhnung präzisiert werden muss. Der Rechtsbegriff der Invalidität bedeutet die durch einen versicherten Gesundheitsschaden verursachte dauernde oder während längerer Zeit bestehende durchschnittliche Verringerung der Erwerbsmöglichkeiten auf dem gesamten, für den Versicherten in Betracht fallenden Arbeitsmarkt. Im Falle der Amputation eines Gliedes muss daher bei der prognostisch zu beurteilenden Frage, ob daraus eine dauernde Erwerbsunfähigkeit entstehe, mit berücksichtigt werden, ob und inwieweit der Versicherte durch Angewöhnung an die Prothese seine anfänglich beeinträchtigte Erwerbsfähigkeit werde verbessern können. Wenn zur Zeit des Erlasses der Verfügung der Ausgleichskasse damit gerechnet werden muss, dass der Versicherte sich in zunehmendem Masse so gut an die Prothese werde gewöhnen können, dass er in absehbarer Zeit nicht mehr in rentenbegründendem Masse erwerbsunfähig sein werde, so liegt keine Dauerinvalidität im Sinne der Variante 1 von Art. 29 Abs. 1 IVG vor.

Inhalt

Ganzes Dokument
Regeste: deutsch französisch italienisch

Referenzen

Artikel: Art. 29 Abs. 1 IVG